Entdeckung

 

Gamina setzte sieh auf und schrie.

Innerhalb von Augenblicken war Katala im Kinderzimmer und nahm sie in die Arme. Gamina schluchzte noch eine Weile und beruhigte sich dann. William kam, gefolgt von einem mürrisch dreinblickenden, verschlafenen Feuerdrachen. Fantus tapste an William vorbei und legte seinen Kopf aufs Bett. »Hast du schlecht geträumt, Kleine?« fragte Katala.

Gamina nickte. Leise sagte sie: »Ja, Mama.« Sie lernte endlich doch Sprechen und verließ sich nicht mehr nur auf die Gedankensprache. Diese Gabe besaß sie schon von Geburt an.

Da ihre Familie tot war, hatte Rogen, der blinde Seher, Gamina aufgezogen, ehe er sie schließlich nach Stardock gebracht hatte. Dank Rogens Hilfe hatte Pug erkannt, daß der Feind hinter allem stand, was das Königreich in ständiger Sorge hielt, doch bei der Enthüllung dieses Geheimnisses hatte der Seher schweren Schaden genommen. Er und Gamina waren bei Pugs Familie geblieben, als dieser aufgebrochen war, und im Verlauf des letzten Jahres hatten sie sich so gut eingelebt, daß sie fast selbst zur Familie gehörten. Rogen war für William der Großvater, und Katala für Gamina eine Mutter. William und Gamina benahmen sich wie Bruder und Schwester. Der alte Mann war vor drei Monaten gestorben, und in seinen letzten Augenblicken glücklich gewesen, weil sein Mündel neben ihm noch andere gefunden hatte, die sie liebten und denen sie vertraute. Katala umarmte das Mädchen und liebkoste es, derweil es wieder ruhig wurde.

Meecham, der hochgewachsene Freisasse, eilte ins Zimmer und suchte nach einer möglichen Gefahrenquelle. Er war mit Hochopepa und Elgahar von der Versammlung auf Kelewan zurückgekehrt, kurz nachdem sich Pug auf die Suche nach den Wächtern aufgemacht hatte. Ihr anderer Gefährte, Bruder Dominic, hatte sich wieder zum ishapianischen Kloster in Sarth aufgemacht. Meecham hatte die Aufgabe übernommen, die Familie von Pug zu beschützen, solange sich der Magier auf Kelewan aufhielt. Trotz seines furchterregenden Äußeren und seiner stoischen Erscheinung war er einer von Gaminas Lieblingen. Sie nannte ihn Onkel Meecham. Jetzt stand er hinter Katala und schenkte dem kleinen Mädchen eins seiner so seltenen Lächeln.

Hochopepa und Kulgan betraten das Zimmer, zwei Magier aus verschiedenen Welten, die sich dennoch in vielen Dingen ähnlich waren. Beide beugten sich über das Mädchen. Katala fragte: »So spät noch am Arbeiten?«

Hochopepa sagte: »Sicher, es ist doch noch früh.« Er sah auf »Ist es doch, nicht?«

Meecham entgegnete: »Eigentlich nicht, es sei denn, Ihr meint früh am Morgen. Es ist schon eine Stunde nach Mitternacht.«

Kulgan sagte: »Also, wir hatten uns in einem interessanten Diskurs verzettelt, und -«

»Ihr habt mal wieder gar nicht mitbekommen, wie die Zeit verging«, meinte Katala. Ihre Stimme klang halb mißbilligend, halb belustigt. Pug war der führende Kopf in Stardock, und seit er sie verlassen hatte, führte Katala das Regiment über die kleine Gemeinde. Ihre ruhige Art, ihre Intelligenz und ihre Fähigkeit, mit Menschen umzugehen, hatten sie automatisch zur Anführerin dieser Gemeinde gemacht, obwohl man gelegentlich Hochopepa »Diese Tyrannin!« durch das Haus rufen hören konnte. Doch das nahm ihm niemand übel, denn alle wußten, er war voller Respekt und Zuneigung für die Frau von Pug.

Kulgan sagte: »Wir haben gerade über einen Bericht gesprochen, den Shimone an die Versammlung gesandt hat.« Auf beiderseitiges Einverständnis hin wurde der Spalt zwischen den Welten regelmäßig geöffnet, so daß die Akademie in Stardock und die Versammlung der Magier auf Kelewan Nachrichten austauschen konnten.

Katala blickte ihn erwartungsvoll an, doch Hochopepa sagte: »Immer noch nichts von Pug.«

Katala seufzte und meinte plötzlich irritiert: »Hocho, Kulgan, Ihr mögt bei Euren Forschungen tun, was Ihr wollt, doch der arme Elgahar steht kurz davor umzufallen. Er gibt fast den gesamten Unterricht für die neuen Magier des Erhabenen Pfades allein, und dabei beschwert er sich nie. Ihr solltet ihm vielleicht ein bißchen mehr helfen.«

Kulgan holte seine Pfeife hervor und sagte: »Natürlich gestehen wir unseren Fehler ein.« Er wechselte einen Blick mit Hochopepa. Ihnen beiden war klar, warum sich Katala ihnen gegenüber so harsch benahm - schließlich war ihr Mann schon seit über einem Jahr abwesend.

Hochopepa meinte: »In der Tat.« Auch er stopfte sich eine Pfeife, eine Angewohnheit, die er sich, seit er mit Kulgan zusammenarbeitete, angewöhnt hatte. Wie Meecham einmal bemerkt hatte, glichen sich die beiden wie ein Ei dem anderen.

Katala sagte: »Falls Ihr wirklich vorhabt, diese stinkenden Dinger anzustecken, dann wagt es ja nicht hier. Das ist Gaminas Schlafzimmer, und ich möchte nicht, daß Ihr hier die Luft auch noch verqualmt.«

Kulgan war schon dabei, seine Pfeife anzuzünden und hielt inne. »Gut, gut. Wie geht es dem Kind?«

Gamina hatte aufgehört zu weinen und sagte leise: »Mir geht es gut.« Seit sie Sprechen gelernt hatte, hatte sie ihre Stimme nie lauter als zu einem kindlichen Flüstern erhoben, abgesehen von dem Schrei vor ein paar Minuten. »Ich ... ich habe schlecht geträumt.«

»Was hast du denn geträumt?« fragte Katala.

Gaminas Augen füllten sich mit Tränen. »Ich hab' Papa gehört, wie er nach mir ruft.«

Kulgan und Hochopepa sahen das Mädchen aufmerksam an. »Was hat er zu dir gesagt, Kind?« fragte Kulgan mit sanfter Stimme, um das Mädchen nicht zu ängstigen.

Katala wurde aschfahl, zeigte jedoch kein anderes Zeichen von Angst. Sie stammte aus einer Familie von Kriegern, und sie konnte mit allem fertig werden, mit allem, außer dieser Ungewißheit darüber, wie es ihrem Mann wohl ergangen sein mochte. Ruhig fragte sie: »Was hat er gesagt, Gamina?«

»Er war -« Wie immer, wenn ihr etwas naheging, wechselte sie in die Gedankensprache. Er war an einem seltsamen Ort, weit entfernt. Da war einer bei ihm - einer, oder vielleicht mehrere? Er sagte...

»Was, Kind?« drängte Hochopepa.

Er sagte, daß wir auf Nachricht warten sollen, und dann -wurde etwas anders. Er war - fort? An einem verlassenen Ort. Ich habe Angst bekommen. Ich fühlte mich so allein.

Katala hielt das Mädchen fest. Es gelang ihr, die Gewalt über ihre Stimme zu behalten, dennoch verspürte sie große Furcht. »Du bist nicht allein, Gamina.« Aber die Gedanken des Mädchens hallten in ihr wider. Selbst damals, als Pug ihr von der Versammlung genommen worden war, weil er ein Erhabener werden sollte, hatte sie sich nicht so allein gefühlt.

 

Pug schloß die Augen vor Erschöpfung. Er ließ den Kopf sinken. Tomas sah sich um. »Bist du durchgekommen?«

Pug seufzte tief und erwiderte: »Ja, aber es war schwieriger, als ich gedacht habe. Und ich habe dem Mädchen angst gemacht.«

»Doch immerhin bist du durchgekommen. Kannst du es noch einmal versuchen.«

»Ich glaube schon. Dieses Mädchen ist einzigartig, und beim nächsten Mal werde ich es leichter erreichen. Ich weiß jetzt mehr darüber, wie das Ganze vor sich geht. Vorher hatte ich nur die Theorie. Nun habe ich es schon einmal selbst ausprobiert.«

»Gut. Vielleicht werden wir diese Fähigkeit noch brauchen.«

Sie schossen durch das Grau, das sie ›Spaltraum‹ nannten, ein Ort zwischen den Strängen der Zeit und des physischen Universums. Tomas hatte Ryath angewiesen, sie solle in dem Moment, wo Pug den Kontakt mit Stardock abbräche, in den Spaltraum eindringen. Nun sandte ihm die Drachendame eine Gedankenbotschaft. Wohin wollt Ihr, daß ich Euch bringe, Valheru?

Tomas sprach laut. »Zur Ewigen Stadt.«

Ryath schien zu erzittern, als sie die Kontrolle über das Nichts um sie herum übernahm und es für ihre Bedürfnisse zurechtbog. Das konturenlose Grau pulsierte, und irgendwie wechselten sie zwischen diesen ungebundenen Dimensionen die Richtung in diesem Nicht-Ort. Dann riß das Grau um sie herum wieder auf, und sie waren an einem anderen Ort.

 

Ein eigentümlicher Punkt erschien vor ihnen in dem Grau, das erste Zeichen einer Realität hinter dem Spaltraum. Der Punkt wuchs rasch, während Ryath über eine graue Ebene darauf zuschoß, und dann hatten sie ihn erreicht. Es war eine Stadt, ein Ort von schrecklicher und fremdartiger Schönheit. Türme von seltsamer Symmetrie erhoben sich in den Himmel, unglaublich schlanke Minarette, eigenartig entworfene Gebäude, die sich unter den gewölbten Bögen der Türme ausbreiteten. Fontänen spuckten silberne Flüssigkeiten in die Höhe, die sich in Kristalle verwandelten und Musik erklingen ließen, wenn sie auf die Fliesen des Brunnenbeckens niederprasselten, wo sie sich wieder in Flüssigkeit verwandelten.

Der Drache legte sich in die Kurve und ging tiefer, flog in der Mitte der Stadt über eine erhabene Prachtstraße, die fast hundert Meter breit war. Die ganze Straße war gepflastert, und die Ziegel glänzten in sanften Farbtönen, jeder schimmerte ein wenig anders als der nächste, so daß das Pflaster aus der Entfernung beinahe wie ein Regenbogen wirkte, der sich nach und nach veränderte. Und als der Schatten des Drachen über die Ziegel hinwegglitt, blitzten und glänzten sie, nahmen eine andere Farbe an, und Musik erfüllte die Luft, ein Thema von majestätischer Schönheit, das die Sehnsucht nach grünen Feldern und murmelnden Bächen und einem abendroten Himmel über im weichen Licht erstrahlenden Bergen weckte. Die Bilder waren überwältigend. Pug schüttelte den Kopf, um ihn wieder klarzubekommen, und unterdrückte diese leise Melancholie darüber, daß dieser wunderbare Ort niemals entdeckt werden würde. Sie flogen unter Bögen hindurch, die sich tausend Fuß über ihren Köpfen in den Himmel erhoben. Während sie zum Mittelpunkt der Stadt unterwegs waren, zogen unter ihnen winzige Blüten aus Weiß und Gold, Rosa und Zinnober, blassem Grün und Blau hinweg, und ein leichter Regen, der nach wilden Blumen duftete, fiel auf sie herab.

»Wer hat dieses Wunder geschaffen?« fragte Pug.

»Niemand weiß, wer das war«, meinte Tomas. »Ein unbekanntes Volk. Vielleicht die toten Götter.« Pug betrachtete die Stadt, als sie darüber hinwegflogen. »Vielleicht hat sie auch niemand gebaut.«

»Wie könnte das sein?« fragte Pug.

»In einem unendlichen Universum sind zwar nicht alle Dinge möglich, doch, egal wie unwahrscheinlich sie auch sind, können sie an irgendeinem Ort zu irgendeiner Zeit existieren. Vielleicht war diese Stadt im Augenblick der Schöpfung einfach da. Der Valheru, der sie einst als erster entdeckte, sah genau das gleiche, was du jetzt siehst. Diese Stadt ist eins der größten Geheimnisse in den vielen Universen, die die Valheru erforscht haben. Niemand lebte hier, jedenfalls haben wir Valheru nie jemanden hier angetroffen. Manche sind hierhergekommen, um an diesem Ort eine Weile zu leben, doch keiner blieb lange. Diese Stadt verändert sich nie, weil es hier keine wirkliche Zeit gibt. Es heißt, daß die Ewige Stadt vielleicht das einzige wahrhaft Unsterbliche in den Universen ist.« Traurig fügte er hinzu: »Ein paar der Valheru versuchten, sie aus Ärger zu zerstören. Doch womöglich ist diese Stadt auch das einzige, das ihrer Wut widerstehen kann.«

Eine Bewegung erregte Pugs Aufmerksamkeit, und plötzlich sprang ein Schwärm seltsamer, geflügelter Kreaturen von der Spitze eines Gebäudes in der Ferne und flog in einem Bogen in ihre Richtung. Pug zeigte auf sie, und Tomas sagte: »Es scheint, wir werden erwartet.«

Die Kreaturen kamen auf sie zugeschossen. Es waren rote Elementarwesen, größer als jene, die Pug am Ufer des Großen Sternensees im vergangen Jahr zerstört hatte. Sie hatten die Körper von Menschen, und ihre weiten krebsroten, behäuteten Flügel schlugen in den Wind, während sie auf die Drachenreiter zuhielten. Gelassen meinte Pug: »Sollen wir landen?«

»Das ist nichts als eine erste Probe. Es hat nicht viel zu bedeuten.«

Ryath stieß einen Schlachtruf aus, und der Schwärm der Dämonen wich erst zurück und griff dann an. Als sie das erste Mal anflogen, schwang Tomas seine goldene Klinge, und zwei der Kreaturen fielen mit einem Todesschrei auf den Lippen zu Boden, weil das Schwert ihnen die fledermausähnlichen Flügel abgetrennt hatte. Pug schleuderte ihnen eine blaue Energie entgegen, die von einem zum anderen sprang. Vor Schmerz verrenkten die Kreaturen ihre Glieder und stürzten ab, unfähig sich zu bewegen. Wenn sie auf den Grund schlugen, gingen sie in grüne Flammen auf und warfen silberne Funken. Ryath spuckte Feuer, und alle, die in ihren brennenden Atem gerieten, verbrannten zu Asche. Innerhalb nur weniger Augenblicke waren die Kreaturen allesamt vernichtet.

Nun wendete der Drache und flog auf ein düsteres Gebäude aus schwarzem Stein zu, das sich wie das brütende Böse inmitten der Schönheit ausbreitete. »Jemand macht es uns offensichtlich, wohin wir uns begeben sollen. Doch es wird mit Sicherheit eine Falle sein.«

Pug sagte: »Werden wir Ryath beschützen müssen?«

Der Drache knurrte, aber Tomas sagte: »Nur gegen die mächtigste Magie, und sollte uns die begegnen, werden wir tot sein, und sie mag zurück ins wirkliche Universum fliegen. Hörst du?«

Ich höre und verstehe, antwortete der Drache.

Sie stießen hinab auf einen mit Ziegelsteinen gepflasterten Hof, und der Drache stoppte und schwebte über dem Boden. Tomas benutzte seine Kräfte und ließ sich und Pug von Ryaths Rücken nach unten auf die Steine. »Kehre zu dem Brunnen zurück und ruhe dich aus. Sollte uns etwas passieren, dann brich auf, wenn du willst. Wenn wir dich brauchen, hier oder auf Midkemia, werde ich nach dir rufen.«

Ich werde antworten, Tomas.

Der Drache flog davon, und Tomas wandte sich an Pug. »Komm, wir haben sicherlich einen interessanten Empfang vor uns.«

Pug sah seinen Jugendfreund an. »Schon als Kind hatte bei dir das Wort ›interessant‹ eine ausgedehntere Bedeutung. Nun, gut, wir haben keine andere Wahl. Werden wir Macros dort drinnen finden?«

»Wahrscheinlich nicht, denn hier sind wir hergeführt worden. Ich glaube kaum, daß es uns der Feind so leicht macht.«

Sie traten durch die einzige Tür in das riesige schwarze Gebäude, und in dem Augenblick, als sie das Portal hinter sich gelassen hatten, schlug eine hohe steinerne Tür zu und schnitt ihnen den Rückweg ab. Tomas blickte belustigt zurück. »Das war also der leichte Rückweg.«

Pug maß den Stein ab. »Ich werde damit schon fertig werden, falls es nötig wird, doch ich brauche dazu Zeit.«

Tomas nickte. »Das habe ich mir schon gedacht. Machen wir uns auf.«

Sie gingen einen langen Gang entlang, und Pug erzeugte ein Licht, das rund um sie herum alles hell erleuchtete. Die Wände waren ohne Fugen, glatt und unzerkratzt, und ließen nur eine mögliche Richtung zu. Der Fußboden bestand offenbar aus dem gleichen Material wie die Wände.

Am Ende des Korridors war eine einzige Tür ohne Verzierungen und Klinke. Pug betrachtete sie, dann beschwor er einen Zauberspruch. Die Tür knarrte protestierend, als sie aufging und ihnen Durchlaß gewährte. Sie betraten einen riesigen Saal, in dessen Wände rundherum Türen waren. Als sie eingetreten waren, flogen diese Türen auf, und eine Horde von Kreaturen stolperte lauthals schreiend und kreischend heraus. Affen mit den Köpfen von Adlern, riesige Katzen mit Schildkrötenpanzern, Schlangen mit Armen und Beinen, Menschen mit mehr als zwei Armen -eine Armee des Schreckens strömte auf sie zu. Tomas zog das Schwert und hob den Schild. »Mach dich bereit, Pug.«

Pug beschwor einen Zauber, und ein Ring karmesinroter Flammen loderte um sie auf und erfaßte die erste Reihe der Kreaturen, die in silbernen Blitzen explodierten. Viele der Kreaturen wichen zurück, und jene, die den Flammen entkommen waren, wurden von Tomas goldenem Schwert zerstört. Wenn er sie erschlug, verschwanden sie in einem Regen aus silbernen Funken, begleitet vom Gestank der Verwesung. Immer mehr Kreaturen kamen durch die Türen herein. Sie drängten nach vorn und schoben die vorderen in Pugs magische Flammen, wo sie für einen Augenblick in helles Licht aufgingen, ehe sie verschwanden. Pug sagte: »Der Andrang scheint kein Ende zu nehmen.«

Tomas nickte, während er eine riesige Ratte mit Adlerflügeln niederschlug. »Kannst du die Türen schließen?«

Pug wob Magie, und ein lautes Jammern von knirschendem Metall und Stein erfüllte den Saal, als er die Türen zwang, sich zu schließen. Manche Kreaturen, die gerade eintreten wollten, wurden zwischen Tür und Wand eingequetscht und starben mit lautem Geheul. Tomas erledigte die restlichen, die die Flammen durchdrangen, und einen Augenblick später standen er und Pug allein im Zirkel des Feuers.

Tomas schnappte nach Luft. »Das war ziemlich anstrengend.«

Pug erwiderte: »Ich kann dem Spuk ein Ende machen.« Der Flammenzirkel dehnte sich zu den Wänden hin aus, und jede Kreatur, die mit dem Feuer in Berührung kam, starb auf der Stelle. Bald hatte es die Wände erreicht, und als die letzte Kreatur verendet war, erloschen die Flammen. Pug sah sich um. »Hinter jeder Tür lauert ein Dutzend dieser Biester. Welchen Weg sollen wir nehmen?«

Tomas sagte: »Ich glaube, nach unten.«

Pug streckte die Hand aus, und Tomas hängte sich den Schild über die Schulter. Er nahm Pugs Hand, hielt sein Schwert jedoch immer noch bereit. Wieder beschwor Pug einen Zauber, und Tomas sah, wie sein Freund durchsichtig wurde. Er blickte nach unten und konnte durch seinen eigenen Körper den Boden sehen. Pugs Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen: »Laß meine Hand nicht los, bis ich es sage, ansonsten werde ich Probleme haben, dich zurückzuholen.«

Dann sah Tomas den Boden näherkommen, oder eher, wie sie darin versanken. Dunkelheit umfing sie, als sie in den Stein eintraten. Nach einer Weile wurde es wieder hell; sie hatten eine Felsenkammer erreicht. Etwas sauste durch die Luft, und Tomas verspürte einen Schmerz an der Seite. Er blickte nach unten. Dort stand ein Krieger mit breiten Schultern und dem Kopf eines Keilers, der einen grellblauen Plattenpanzer über Brust und Rücken trug. Die Kreatur brüllte, und Speichel troff von ihren Hauern. Der Krieger schwang eine übel aussehende, doppelschneidige Axt, und Tomas gelang es gerade noch, den Schlag mit dem Schwert zu parieren. Pug schrie: »Auf geht's!«

Tomas ließ Pugs Hand los und hatte augenblicklich wieder einen festen Körper. Er fiel zu Boden und landete knapp vor dem Menschenkeiler, der wieder mit der Axt zuschlug. Tomas konnte abermals parieren und versuchte, seinen Schild frei zu bekommen. Pug landete auf den Füßen und sang einen Zauberspruch. Der Keiler bewegte sich für ein so massiges Wesen ausgesprochen flink, und Tomas konnte sich nur verteidigen. Dann parierte er einen Hieb mit einer Parade, ging zum Angriff über, und das Ding war verwundet. Es wich zurück und schrie vor Wut.

Pug schickte ein sich langsam ausdehnendes Band pulsierenden Rauches los, das sich wie eine Schlange bewegte. In der ersten Sekunden kam es nur wenige Fuß voran, nahm jedoch an Geschwindigkeit zu. Dann peitschte der Rauch wie eine zuschlagende Kobra los und traf den Keiler an den Beinen. Augenblicklich wurde der Rauch fest und fesselte das Ding. Es brüllte zornig, als es sich zu bewegen suchte. Als es keine Möglichkeit mehr hatte zurückzuweichen, hatte Tomas es rasch ins Jenseits befördert. Der Valheru putzte seine Klinge ab. »Danke für die Hilfe. Es hat mich schon fast gelangweilt.«

Pug lächelte. In manchen Dingen hatte sich sein Freund überhaupt nicht verändert. Zwar hätte Tomas die Kreatur letztlich sowieso getötet, doch sie hatten keine Zeit zu verlieren.

Tomas zuckte zusammen, als er seine Seite untersuchte. »Die Axt muß irgendeine geheime Kraft haben, wenn sie mich treffen konnte, als wir unkörperlich waren.«

»So etwas ist selten, doch man hat schon davon gehört«, stimmte Pug zu. Tomas schloß die Augen, und Pug sah, wie die Wunde heilte. Zuerst hörte sie auf zu bluten, dann zog sich die Haut von selbst zusammen. Eine rote Narbe bildete sich. Sie verblaßte mehr und mehr, bis die Haut wieder makellos war. Selbst das goldene Kettenhemd und der weiße Rock reparierten sich von selbst. Pug war beeindruckt.

Er sah sich um und fühlte sich unbehaglich. »Das erscheint mir alles zu leicht. Trotz des ganzen Lärms sind die Fallen erbärmlich.«

Tomas klopfte sich auf die Seite. »Nicht ganz so erbärmlich, doch im Prinzip hast du recht. Ich glaube, wir sollen übermütig werden und unserer eigenen Nachlässigkeit zum Opfer fallen.«

»Dann wollen wir lieber aufmerksam sein.«

»Und, wohin als nächstes?«

Pug sah sich um. Die Kammer war aus dem Stein gehauen und diente offensichtlich keinem besonderen Zweck, außer daß sich an dieser Stelle etliche Gänge trafen. Wohin sie führten, konnte man nicht wissen. Pug setzte sich auf einen Stein. »Ich werde mich mal ein bißchen umsehen.« Er schloß die Augen, und wie schon auf der Ebene der Toten erschien um seinen Kopf ein weißer Dunst, der sich rasch drehte. Dann plötzlich schwebte der Dunst als leuchtende Kugel davon und verschwand in einem der Gänge. Einige Momente später war er zurück und fuhr in den nächsten Gang. Nach fast einer Stunde rief Pug den Sehzauber zurück und beendete ihn mit einer Handbewegung. »Die Gänge sind alle leer und führen in sich selbst zurück.«

»Also ist das ein verlassener Ort?«

Pug erhob sich auf die Beine. »Ein Labyrinth. Eine Falle für uns, mehr nicht. Wir müssen weiter nach unten.«

Sie faßten sich an der Hand, und Pug ermöglichte ihnen wieder, den festen Felsen zu durchdringen. Lange Zeit bewegten sie sich durch die Dunkelheit. Dann kamen sie direkt unter der Decke einer weiten Höhle heraus. Unten lag in einiger Entfernung ein See. Er war von einem Ring aus Feuer umgeben, der die Höhle mit orange-rotem Licht erhellte. Jenseits des Feuers schaukelte ein Boot am Ufer: eine eindeutige Einladung. In der Mitte des Sees sahen sie eine Insel, an deren Küste eine Schar menschenähnlicher Wesen wartete, die alle Kampfkleidung trugen. Sie standen um einen Turm herum, der nur eine einzige Tür unten und ein Fenster an der Spitze hatte.

Pug ließ sie auf den Grund herab und machte sie wieder körperlich. Tomas betrachtete den brennenden Kreis und setzte sich. »Ich schätze, man erwartet von uns, daß wir uns durch das Feuer kämpfen, das Boot nehmen, allem ausweichen, was auch immer unter der Wasseroberfläche lauern mag, und schließlich die Krieger besiegen, damit wir den Turm erreichen.«

»Es scheint so, als würde man genau das von uns erwarten«, meinte Pug und klang gelangweilt. Er ging zum Rand des Feuers und sagte: »Aber ich habe mir die Sache etwas anders gedacht.« Pug ließ seine Hand zweimal kreisen. Die Luft in der Höhle kam in Bewegung, folgte den Kreisen, die Pugs Hand beschrieben hatte, und zog an den runden Wänden des riesigen Felsendoms über ihnen entlang. Zunächst war es nur ein Hauch, eine leichte Brise, wuchs aber rasch zu einem sanften Wind. Pug wiederholte die Bewegung. Schnell nahm der Wind an Geschwindigkeit zu, und die Flammen begannen zu tanzen und erleuchteten die Höhle mit wahnsinnigem Licht und flackernden Schatten. Ein weiteres Kreisen von Pugs Hand, und der Wind wurde noch stärker. Jetzt wurden die Flammen zurückgeweht. Tomas beobachtete das Ganze. Er konnte dem Wind ohne weiteres standhalten. Die Flammen wurden kleiner, als könnten sie unter dem Druck des Windes nicht länger auflodern. Pug machte eine größere ausladende Bewegung mit dem Arm, bei der er sich fast um sich selbst drehte. Das Wasser toste, und auf dem See erschienen weiße Schaumkronen. Das windgepeitschte Wasser spritzte in die Höhe, und ein feiner Nebel von Tröpfchen raste durch die Luft. Anschwellende Wellen rollten über den See und brachen sich am Ufer der Insel, und bald war das Boot umgekippt und gesunken. Pug schrie ein Wort, und ein klares weißes Licht erleuchtete nun die Höhle anstelle des roten Feuers. Jetzt wirbelte Pug seinen Arm herum wie ein Kind, das beim Spielen eine vom Sturm getriebene Windmühle imitiert. Innerhalb von Momenten begannen die Krieger auf der Insel unter dem Druck des Windes zu taumeln und konnten sich kaum mehr auf den Beinen halten. Der Stiefel eines von ihnen kam ms Wasser, und etwas Grünes und Zähes erhob sich und schnappte sich den Fuß. Der schreiende Krieger wurde unter Wasser gezogen. Die Szene wiederholte sich Mal um Mal, immer mehr Krieger gerieten ins Wasser, wo sie von dessen Bewohnern gepackt wurden. Dann erreichte der Orkan das ohrenbetäubende Crescendo seiner Wut, und Pug und Tomas sahen, wie die letzte Gestalt auf der Insel rückwärts in den See taumelte, wo sie von dem, was auch immer sich unter der schäumenden Oberfläche des Sees verbergen mochte, hinabgezogen wurde. Pug klatschte in die Hände und ließ den Wind einschlafen. »Komm.«

Tomas benutzte seine Fähigkeit zum Fliegen und brachte sich und Pug über den See hinweg zur Tür des Turms. Sie stießen sie auf und betraten das Bauwerk.

 

Pug und Tomas verbrachten volle fünf Minuten mit Mutmaßungen darüber, was sie wohl oben auf dem Turm finden würden. Die Treppe wand sich eng hinauf, und sie mußten hintereinander gehen. Zuletzt sagte Pug. »Also, wir sind so gut vorbereitet, wie wir nur sein können. Und wir können nichts anderes tun, als hinaufzusteigen.« Er folgte seinem Freund in der weißgoldenen Kleidung. Als sie fast oben waren, sah Pug nach unten: Bis zu den Steinen am Boden würde es ein ganz tiefer Fall sein. Tomas erreichte die Falltür, die zur Spitze führte.

Er stieß sie auf und verschwand durch die Öffnung. Pug folgte ihm. Dort oben war ein einzelnes Zimmer, in dem sich nur ein Bett, ein Stuhl und ein Fenster befanden. Auf dem Stuhl saß ein Mann in einer braunen Kutte, die von einer Kordel zusammengehalten wurde. Er las ein Buch, das er zuklappte, als Pug zu Tomas stieß. Langsam begann er zu lächeln.

Pug sagte: »Macros.«

Tomas sagte: »Wir sind gekommen, um dich zurückzuholen.«

Der Zauberer stand auf, schwach auf den Beinen, als wäre er müde oder verletzt. Er schritt auf die beiden zu und stolperte. Pug bewegte sich, um ihn aufzufangen, doch Tomas war schneller. Er legte den Arm um Macros' Hüfte.

Dann brüllte der Zauberer auf fremdartige Weise, als hörte man einen Donner durch einen entfernten Sturm. Seine Arme schlossen sich um Tomas' Brust, fest genug, um seine Rippen zu brechen, und die Falltür knallte zu. Einen Moment lang warf Tomas den Kopf zurück und schrie in Todesangst, dann warf ihn Macros mit erstaunlicher Kraft an die Wand. Pug war für einen Augenblick wie erstarrt, dann setzte er zu einem Zauberspruch an, doch der andere war zu schnell bei ihm. Die Gestalt in der braunen Kutte streckte die Hände aus, hob Pug mühelos in die Luft und schleuderte ihn an die Wand gegenüber. Pugs Knochen krachten, als er aufprallte und sein Kopf auf den Stein schlug, und er fiel hart auf den Boden. Offensichtlich betäubt sackte er in sich zusammen.

Tomas hatte sich wieder erhoben. Macros wirbelte herum. Urplötzlich war der Zauberer verschwunden, und an seiner Stelle stand da ein alptraumhaftes Wesen, bereit zum Angriff. Man konnte nur die Umrisse sehen, es war gut zwei Meter groß und hatte das doppelte Gewicht von Tomas. Große gefiederte Flügel wuchsen aus seinen Seiten. Am Kopf trug es kleine Hörner und große gebogene Ohren. Aus dem leeren nachtschwarzen Gesicht starrten den Valheru rubinrot glühende Augen an. Vollständig hinter einer nebeligen Dunkelheit verborgen, zeigte sich nur in den Augen und dem Mund ein rotoranges Glühen, als würde in dem Wesen ein inneres Feuer brennen. Ansonsten bestand es aus schwarzen Schatten, und jede Einzelheit des Gesichtes und der Gestalt war nichts als Einbildung. Tomas hieb auf das Ding ein, doch die Klinge fuhr durch das Wesen hindurch, ohne irgendeinen offensichtlichen Schaden anzurichten. Tomas wich zurück, als die Kreatur auf ihn zutrat.

»Armseliges Ding«, hörte er eine flüsternde Stimme, die wie der Hauch eines spottenden Windes klang. »Habt Ihr wirklich geglaubt, daß der, der Euch entgegentritt, sich nicht mit allen Kräften auf Eure Vernichtung vorbereiten wird?«

Tomas duckte sich und hielt das Schwert bereit. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er das Wesen und sagte: »Was für eine Kreatur bist du?«

Die flüsternde Stimme sagte: »Ich, Krieger? Ich bin ein Kind des Nichts, ein Bruder der Geister und Erscheinungen. Ich bin ein Schreckensmeister.« Und mit entsetzlicher Schnelligkeit streckte das Wesen den Arm aus, packte Tomas' Schild und entriß es ihm. Tomas schwang als Antwort das Schwert, doch die Kreatur schnappte sich seinen Schwertarm am Handgelenk. Tomas heulte vor Schmerz auf. »Ich bin berufen, Eure Existenz auszulöschen«, sagte das Schattenwesen. Dann riß es mühelos Tomas' Arm aus der Schulter. In einem Strom von Blut ging Tomas auf die Steine und schrie vor Todesangst.

Das Wesen sagte: »Ihr enttäuscht mich. Ich wurde gewarnt, mich vor Euch in acht zu nehmen. Doch Ihr seid ein jämmerlicher Krieger.«

Tomas' Gesicht war bleich und schweißüberströmt. Die Augen hatte er vor Schmerz und Schreck weit aufgerissen. »Wer ...« keuchte er. »Wer hat dich gewarnt?«

»Die, welche Euer Wesen kennen, Menschending.« Die grauenerregende Kreatur stand vor ihm und hielt seinen Arm mit dem Schwert. »Sie haben sogar gewußt, daß Ihr hierherkommen würdet, anstatt das wahre Gefängnis des Zauberers zu suchen.«

»Wo ist er?« brachte Tomas stöhnend hervor - scheinbar stand er an der Grenze zur Ohnmacht.

Das Wesen zischelte ihm boshaft zu: »Ihr habt versagt.«

Dem Zusammenbruch nahe zwang Tomas sich, wach zu bleiben, und er knurrte fast, als er sprach. »Dann weißt du es nicht. Trotz all deines Getues bist du nur ein Diener. Du weißt nur, was der Feind dir mitteilt.« Und mit Verachtung spuckte er ein weiteres Wort aus: »Sklave.«

Das grauenhafte Ding heulte vor Übermut auf. »Ich stehe weit oben. Ich weiß auch, wo der zaubernde Mann versteckt gehalten wird. Er wohnt dort, wo Ihr es erwartet haben solltet: an dem Ort, der das unwahrscheinlichste Gefängnis ist, und deshalb auch das wahrscheinlichste. Er lebt im Garten.«

Mit einem Mal sprang Tomas auf die Füße und grinste. Das Wesen begann zu taumeln, weil sich der Arm, den es in den Händen hielt, in Luft auflöste und statt dessen wieder an Tomas' Körper erschien. Der Schild bog sich mit einem metallischen Ächzen wieder gerade und flog durch den Raum zurück an seinen linken Arm. Die Kreatur bewegte sich auf Tomas zu, doch der Krieger in Weiß schlug mit seinem Schwert zu und diesmal traf er. Die Berührung löste eine Explosion von goldenen Funken aus. Es zischte laut. Beißender Qualm stieg auf, und die Kreatur schrie vor Schmerz. »Scheint, als wäre ich nicht der einzige, der von sich selbst eingenommen ist«, meinte Tomas, während er das Wesen mit wilden Schlägen zurücktrieb. »Und du bist auch nicht der einzige Meister, der Illusionen entstehen lassen kann. Du dummes Ding, weißt du denn nicht, daß ich und meine Brüder es waren, die dich und die Deinigen aus diesem Universum verbannt haben? Glaubst du denn, ich, Tomas, genannt Ashen-Shugar, hätte vor etwas wie dir Angst? Ich, der ich einst sogar die Schreckenslords niedergeworfen habe!«

Das Wesen zuckte vor Schrecken und Wut zusammen, seine Schreie schienen aus weiter Ferne zu ihnen vorzudringen. Dann tauchten mit melodiösem Klingen durchsichtige Edelsteine über der Kreatur auf. Jeder Stein wurde rasch zu einem Stab, die alle ein transparentes Gitter um das Wesen bildeten. Tomas grinste, derweil Pug den magischen Käfig um das nachtschwarze Ding vollendete. Das grauenhafte Wesen schlug um sich und stieß jedesmal ein gellendes Heulen aus, wenn es einen der durchscheinenden Gitterstäbe berührte. Pug erhob sich von der Stelle, wo er die Bewußtlosigkeit vorgetäuscht hatte, und stellte sich neben die Kreatur. Der Schreckensmeister versuchte, zwischen den glasähnlichen Stäben hindurchzufassen, doch immer, wenn er einen berührte, zuckte er augenblicklich zurück. Er kreischte und heulte, und seine fremdartige Stimme klang dabei wie ein heiseres Zischeln. »Was ist das für ein Ding?« fragte Pug.

»Ein Schreckensmeister, einer der Unlebenden. Ein Wesen, dem das Leben und unser Dasein vollkommen fremd sind. Diese Kreatur stammt aus einem Universum, das an den am weitesten entfernten Grenzen der Zeit und des Raumes liegt. Nur wenige Lebende können dieses Wesen besiegen und dabei überleben. Es frißt die Essenz des Lebens, so wie das alle seines Geschlechts tun, wenn sie dieses Universum betreten. Er ist eine Kreatur der reinen Zerstörung und steht direkt unter den Schreckenlords, welche Wesen sind, vor denen selbst die Valheru Achtung haben. Die Tatsache, daß dieses Ding in die Ewige Stadt gebracht wurde, verdeutlicht, wie gleichgültig der Feind und Murmandamus der Zerstörung gegenüber sind, die sie damit entfesseln können.« Er hielt inne, und auf seinem Gesicht machte sich eine besorgte Miene breit. »Es verwundert mich allerdings auch, daß der Feind und Murmandamus solche Verbündeten haben, von denen wir bisher noch nichts wußten.« Er sah Pug an. »Wie geht es dir?«

Pug reckte sich und sagte: »Ich glaube, ich habe mir eine Rippe gebrochen.«

Tomas nickte. »Du hast Glück gehabt, daß nicht alle gebrochen sind. Tut mir leid, doch ich mußte es irgendwie beschäftigen.«

Pug zuckte mit den Schultern. »Was machen wir jetzt mit ihm?« Er zeigte auf die leise heulende Kreatur.

»Wir können es zurück in sein eigenes Universum befördern, doch das würde uns zuviel Zeit kosten. Wie lange wird der Käfig halten?«

Pug meinte: »Normalerweise jahrhundertelang. Hier vielleicht für immer.«

»Gut«, sagte Tomas und machte sich zur Tür auf.

Das Wesen der Dunkelheit stieß einen entsetzten Schrei aus. »Nein, Meister!« brüllte es. »Laßt mich hier nicht zurück! Ich werde langsam verdorren, ehe ich sterbe! Ich werde ewige Qualen erleiden! Schon jetzt habe ich fürchterlichen Hunger! Befreit mich, und ich werde Euch dienen, Meister!«

Pug fragte: »Können wir ihm trauen?«

Tomas erwiderte: »Natürlich nicht.«

Pug sagte: »Ich hasse es, jemanden solchen Martern auszusetzen.«

»Du hattest schon immer einen weichen Zug«, meinte Tomas und eilte die Treppen hinunter. »Diese Wesen sind die zerstörerischsten in allen Universen«, sagte Tomas. »Sie sind das Gegenteil vom Leben. Es ist schon schwierig genug, mit den einfachen Schreckenswesen fertigzuwerden; die Schreckensmeister kann man einfach nicht kontrollieren.«

Sie erreichten die Tür und gingen hinaus. Tomas sagte: »Fühlst du dich schon stark genug, um uns wieder nach oben zu bringen.«

Pug reckte sich vorsichtig und probierte seine angeschlagene Seite aus. »Ich werde es schon schaffen.«

Er beschwor den Zauberspruch, nahm Tomas' Hand und erhob sich in die Luft. Abermals unkörperlich durchdrangen sie die Felsdecke der Höhle. Ohne sie blieben in der riesigen Höhle nur die schwachen fremdartigen Schreie, die man von der Spitze des Turms auf der Insel hören konnte.

 

»Was ist der Garten?« fragte Pug.

Tomas sagte: »Es ist ein Ort, der zur Stadt gehört, und dennoch von ihr getrennt ist.« Er schloß die Augen, und kurze Zeit später stieß Ryath aus dem Himmel zu ihnen herab. Sie stiegen auf, und Tomas sagte: »Ryath, zum Garten.«

Der Drache erhob sich in den Himmel, und bald sausten sie wieder über die eigentümliche Szenerie der Ewigen Stadt. Erneut zogen unter ihnen fremdartige Gebäude dahin, die zwar den Zweck andeuteten, dem sie dienten, ihn jedoch nicht offen zeigten. In der Ferne, wenn man an diesem unmöglichen Ort von Ferne sprechen konnte, entdeckte Pug sieben Säulen, die aus der Stadt in die Höhe strebten. Zunächst erschienen sie schwarz, doch als sie näher kamen, konnte Pug winzige Lichtpunkte in ihnen erkennen.

Tomas bemerkte Pugs Interesse und erklärte: »Die Sternentürme, Pug.« Er schickte Ryath ein gedankliches Kommando, und die Drachendame legte sich in die Kurve und kam dicht an die Säulen heran, die im Kreis um einen weiten offenen Platz standen, der leicht einen Durchmesser von einer Meile hatte.

Sie flogen daran vorbei. Pug war erstaunt; die Säulen bestanden aus winzigen Sternen, Kometen und Planeten - Miniaturgalaxien, die innerhalb der Grenzen der Säulen kreisten und von einem Nichts umschlossen wurden, das so schwarz war wie der wirkliche Raum. Tomas lachte über den staunenden Pug. »Nein, ich weiß auch nicht, was diese Säulen wirklich sind. Das weiß niemand. Vielleicht ist es Kunst. Vielleicht ist es ein Hilfsmittel zum Begreifen.« Er zögerte und setzte dann hinzu: »Und vielleicht ist es das wirkliche Universum, welches diesen Säulen innewohnt.«

Sie entfernten sich wieder, und Pug warf einen Blick zurück auf die Sternentürme. »Noch ein Geheimnis der Ewigen Stadt.«

Tomas meinte: »Ja, und nicht einmal das imposanteste. Sieh mal da.« Er zeigte zum Horizont, wo sie ein rotes Glühen sehen konnten. Sie rasten darauf zu, und es stellte sich als eine Mauer von Flammen heraus, über der die Luft flimmerte und alles dahinter verzerrte. Als sie über die Flammenwand hinwegflogen, wurden sie von sengender Hitze erfaßt.

»Was war das?«

Tomas erklärte: »Eine Flammenwand. Sie verläuft ungefähr eine Meile in einer geraden Linie. Sie hat keinen ersichtlichen Zweck und keinen Grund. Sie ist einfach nur da.«

Sie setzten ihren Flug fort, bis sie freies Land erreichten, auf dem keine Gebäude standen. Der Drache ging in den Sinkflug und hielt auf ein grünes Gebiet zu. Während sie an Höhe verloren, konnte Pug ein dunkles kreisförmiges Gebilde erkennen, das am Rande der Stadt schwebte und sich scharf gegen den sonst grauen Spaltraum abhob. »Das ist das eigentümlichste Ding an diesem eigentümlichen Ort«, meinte Tomas. »Hätte ich deinen Verstand, hätte ich gleich an den Garten gedacht. Das ist ein schwebender Ort, an dem Pflanzen wachsen. Wenn man davon ausgeht, daß Macros seine Kräfte nicht benutzen kann, dann ist das der letzte Ort, von dem er entkommen könnte. Überall in der Ewigen Stadt gibt es viele unerwartete, verborgene Schätze. Neben Gold und anderen Symbolen des Reichtums findet man hier fremdartige Maschinen mit großer Kraft, geheimnisvolle Gegenstände der Macht, vielleicht auch Hilfsmittel, mit denen man in den wirklichen Raum zurückkehren kann. Aber selbst wenn es in der Stadt Hilfsmittel gäbe, um Midkemia zu erreichen, könnte Macros sie nicht erreichen.«

Pug blickte nach unten. Sie waren etwa tausend Fuß über der Stadt und sanken rasch. Jenseits der Grenzen der Ewigen Stadt konnte man das Grau des Spaltraums sehen. Als die Grenzen des Gartens näherkamen, erkannte Pug dunstumhüllte Wasserfalle, die von verschiedenen Stellen über den Rand stürzten. Der Garten war von etwas umgeben, das Pug an einen Wassergraben erinnerte. Doch darin floß kein Wasser - an Stelle dessen war dort buchstäblich nichts: das Nichts des Spaltraums.

Sie überflogen den Rand des Gartens, und Pug sah nun, daß sie wie ein großes Rund von Land neben der Stadt schwebten. Auf diesem Rund breiteten sich die Gärten aus. Eine üppige Vegetation bedeckte jeden Zoll der Oberfläche. Überall wanden sich Wasserläufe, die über den Rand flössen. Obstbäume jeder bekannten und unbekannten Art standen an den Ufern. Pug sagte: »Das ist wirklich der unwahrscheinlichste Ort der Welten.«

Tomas zeigte auf ein steinernes Fundament. »Dort soll einst eine Brücke gestanden haben.« Tatsächlich mußte sich einst ein Brückenbogen über den Graben gewölbt haben. Auf der anderen Seite des Grabens entdeckte er ein weiteres Fundament. »Wenn dieser Ort jemals auf einer wirklichen Welt existiert hat, dann hat der- oder dasjenige, was ihn hierhergebracht hat, auf den Fluß verzichtet, der um den Garten herumfloß. Und da die Brücke zerstört ist, gibt es keinen Weg mehr, den Garten zu verlassen.«

Sie begannen mit ihrer Suche und glitten über die Bäume hinweg. Nicht nur die Arten, die Pug von Midkemia bekannt waren, auch die Pflanzen von Kelewan wuchsen hier. Sie standen zwischen riesigen Beeten mit Blumen und Sträuchern aus anderen Welten, die er nie zuvor gesehen hatte. Sie flogen über ein Gebüsch von Rohrpflanzen. Der Wind, den die Flügelschläge des Drachen verursachten, erzeugte bei diesen Pflanzen ein fast melodisches, betörendes Flöten. Der Drache glitt über ein Beet von Blumen, deren Blüten aufplatzten und Samenkapseln in die Luft warfen. Und wie Tomas vorausgesagt hatte, waren auch die anderen Brücken am Rande der Gärten zusammengebrochen.

Kleine Tiere huschten durch die Büsche und verbargen sich vor dem Räuber, der über ihnen durch die Luft flog. Dann tauchte auf einmal eine andere Gestalt im Himmel auf und strebte auf sie zu.

Schneller als ein Pfeil schoß sie ihnen entgegen. Einen Moment, bevor das Wesen sie erreicht hatte, stieß Ryath einen markerschütternden Kampfschrei aus. Die Gestalt antwortete genauso.

Ein riesiger schwarzer Drache griff sie mit ausgestreckten Klauen und vorgerecktem Kopf an. Aus seinem Maul kam ein roter Feuerstrahl. Tomas errichtete eine Barriere, die Pug und ihn vor den Flammen schützte.

Ryath reagierte sofort auf den Angriff, und die beiden Kreaturen gingen aufeinander los. Sie schlugen mit den Klauen zu und schnappten mit den Zähnen. Tomas wirbelte mit seinem Schwert herum, konnte den anderen Drachen jedoch nicht erreichen. »Das ist eine uralte Bestie!« schrie er. »Seine Art existiert auf Midkemia nicht mehr. Seit vielen Zeitaltern wurde dort kein Großer Schwarzer mehr gesichtet.«

»Wo ist er hergekommen?« schrie Pug zurück, doch Tomas konnte die Frage offensichtlich nicht verstehen. Pug spürte das wilde Schlagen der schwarzen Flügel, aber Tomas hielt sie mit seinen Zauberkräften fest auf Ryaths Rücken. Sollte Ryath den Kampf nicht gewinnen, würden sie in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Obwohl Pug eine ungefähre Vorstellung davon hatte, wie man zwischen den Welten reiste, hatte er kaum Lust, seine Theorien unbedingt in die Praxis umsetzen zu müssen. Wenn Ryath fiel, waren sie hier womöglich gestrandet.

Doch der goldene Drache war genau so stark wie der Schwarze, und jedesmal, wenn dieser sich genügend näherte, verpaßte ihm Tomas einen Streich mit dem Schwert. Pug beschwor einen Zauber und griff so auf seine Weise an. Als die blitzenden Kräfte den feindlichen Drachen trafen, warf er den Kopf zurück und schrie vor Wut und Schmerz laut auf. Ryath nutzte die Lücke in der Verteidigung und biß dem Schwarzen in den Hals, sie setzte die Klauen an und riß ihm den weniger geschützten Bauch auf. Zwar konnten die Zähne des goldenen Drachen wegen der harten Schuppen den Hals des Gegners nur ankratzen und nicht brechen, doch auf der Unterseite des Schwarzen hatten Ryaths Klauen beträchtlichen Schaden angerichtet. In den Kampf vertieft, trieben die beiden mächtigen Drachen aus der Mitte des Gartens fort und schwebten jetzt in der Nähe des Grabens.

Der schwarze Drache versuchte zu entkommen, doch Ryaths Kiefer gaben nicht nach. Pug und Tomas spürten, wie der Goldene taumelte und von dem anderen nach unten gezogen wurde. Dann plötzlich ging es wieder aufwärts. Der Schwarze hatte sich nicht mehr in der Luft halten können und aufgehört, mit den Flügeln zu schlagen. Sein zusätzliches Gewicht hatte Ryath nach unten gezerrt, doch sie hatte rechtzeitig losgelassen, damit sie nicht alle in die Tiefe gezogen wurden.

Pug beobachtete, wie der Schwarze am Rand des Gartens vorbeifiel und im Graben zwischen ihnen und der Stadt verschwand. Der schwarze Drache hörte auch unter der Stadt nicht auf zu sinken, bis er nur noch ein kleiner Punkt im Grau und schließlich ganz außer Sicht geraten war. Pug hörte Tomas sagen: »Gut gekämpft, Ryath. Ich habe noch nie einen so vollendeten Drachen geritten. Selbst der mächtige Shuruga konnte da nicht mithalten.«

Pug bemerkte, wie der Drache stolz strahlte. Ihr habt freundlich gesprochen, Tomas. Dank Euch für Eure guten Worte. Doch war es nur ein alter Drache, einer der an meine Kräfte kaum heranreichte. Hättet Ihr und Pug nicht auf meinem Rücken gesessen, wäre ich keineswegs so rücksichtsvoll vorgegangen. Dennoch, Eure und Pugs Hilfe haben das ihrige dazugetan.

Sie kreisten über der Insel im Himmel und nahmen ihre Suche wieder auf. Das Gebiet war groß und das Unterholz dicht, doch endlich zeigte Pug auf etwas und schrie: »Dort!«

Tomas folgte der von seinem Freund angedeuteten Richtung mit dem Blick. In der Mitte einer Lichtung sprang eine Gestalt auf und ab und winkte wild mit den Armen. Sie winkten zurück, und Tomas gab dem Drachen die Anweisung zu sinken. Die Gestalt taumelte zurück und bedeckte die Augen, wegen des Windes, den die großen Flügel verursachten. Der Mann hielt einen Stab und trug die vertraute schlichtbraune Kutte. Es war Macros. Er hörte nicht auf zu winken, während sie landeten.

Sein Gesicht drückte Niedergeschlagenheit aus, als der Drache den Boden berührte. Einen Moment lang herrschte seltsame Stille, und sie hörten den Zauberer seufzen. Dann sagte er: »Ich wünschte, Ihr hättet das nicht getan.«

Das Universum brach zusammen und kam auf sie nieder.

Es fühlte sich an, als gäbe der Grund unter ihren Füßen nach. Pug taumelte kurz, dann richtete er sich wieder auf und sah, wie Tomas das gleiche tat. Macros stützte sich auf seinen Stab, sah sich um und setzte sich schließlich auf einen Felsen. Die Fallbewegung wurde langsamer und hörte auf, doch der Himmel über ihnen veränderte sich. Das Grau des Spaltraumes wurde durch eine verwirrende Vielzahl von Sternen vor einem pechschwarzen Nichts ersetzt. Macros sagte: »Ihr solltet etwas wegen der Luft auf dieser Insel unternehmen, Pug. In Kürze werden wir keine mehr haben.«

Pug zögerte nicht, schloß die Augen und begann sofort mit einem Zauberspruch. Über ihnen erschien ein schwach glühender Himmel. Pug öffnete die Augen wieder.

Macros sagte: »Nun, Ihr konntet es nicht wissen.« Dann kniff er die Augen zusammen und hob die Stimme vor Wut: »Aber Ihr hättet schlau genug sein sollen, um nicht in diese Falle zu tappen.«

Pug und Tomas fühlten sich auf der Stelle so schuldig wie die kleinen Jungen, die einst für ein dummes Versehen in der Küche von Tomas' Vater gescholten worden waren. Pug zuckte mit den Schultern und meinte: »Wir dachten, es wäre alles in Ordnung, als wir Euch winken sahen.«

Macros schloß die Augen und lehnte den Kopf für einen Moment an den Stab, dann seufzte er tief. »Eins der Probleme, die man in meinem Alter bekommt, liegt darin, daß man jeden Jüngeren als Kind betrachtet. Und da alle um einen herum jünger sind, glaubt man in einem Universum der Kinder zu leben. Daher schimpft man mehr, als eigentlich angebracht wäre.« Er schüttelte den Kopf. »Es tut mit leid, wenn ich zu barsch war. Ich wollte Euch nur warnen. Hättet Ihr daran gedacht, eine der Fähigkeiten zu benutzen, die Euch die Eldar gelehrt haben, hätten wir uns trotz des Lärms des Drachens verständigen können. Dann hätte Tomas mich einfach mit seinen Kräften in die Höhe geholt, und wir würden nicht in dieser Patsche sitzen.«

Pug und Tomas warfen sich abermals schuldbewußte Blicke zu. Dann fuhr Macros fort: »Trotzdem, wir gewinnen gar nichts, wenn wir uns weiter Vorwürfe machen. Zumindest seid Ihr pünktlich hier angekommen.«

Tomas kniff die Augen zusammen. »Pünktlich? Ihr wußtet, wir würden kommen?«

Pug sagte: »In Eurer Botschaft an Kulgan und mich stand, Ihr könntet nicht länger in der Zukunft lesen.«

Macros lächelte. »Ich habe gelogen.«

Pug und Tomas waren beide vor Staunen verstummt. Macros stand auf und schritt herum. »Die Wahrheit ist, als ich meine letzte Botschaft an Euch verfaßte, konnte ich noch in die Zukunft sehen, doch jetzt kann ich das wirklich nicht mehr. Ich habe die Fähigkeit, das zu wissen, was sein wird, verloren, als mir meine Kräfte genommen wurden.«

»Ihr habt Eure Kräfte verloren?« fragte Pug. Vor allen anderen war Macros der größte Meister der magischen Künste, und Pug konnte sich vorstellen, wie er sich fühlen mußte, als ihm plötzlich genommen worden war, was sein Leben, seine Existenz und sein Wesen ausmachte. Ein Magier ohne Magie war wie ein Vogel ohne Flügel. Pug sah Macros tief in die Augen, und beide wußten, daß zwischen ihnen ein Band des Verstehens bestand.

In freundlicherem Ton sagte Macros: »Die mich an diesen Ort gebracht haben, konnten mich nicht zerstören - ich bin immer noch die gleiche zähe, alte Walnuß -, doch sie konnten mich neutralisieren. Jetzt bin ich machtlos.« Er zeigte auf seinen Kopf. »Doch ich habe immer noch mein Wissen, und Ihr habt Eure Fähigkeiten. Ich kann Euch wie kein anderer im Universum herumführen, Pug.« Er holte tief Luft. »Ich kann die Lage aufgrund Eures gegenwärtigen Wissens beurteilen. Ich weiß besser als jeder andere im Universum, was auf uns zukommt, Dank den Göttern. Ich kann Euch helfen.«

»Wie seid Ihr an diesen Ort gekommen?« fragte Pug.

Macros bedeutete ihnen, sich zu setzen und tat das gleiche. Zu Ryath sagte der Magier: »Tochter von Rhuagh, es gibt auf dieser Insel der Pflanzen auch Wild, wenngleich nur kleines. Solltest du dich nicht dumm anstellen, brauchst du nicht zu verhungern.«

Der Drache sagte: »So werde ich jagen.«

»Beachte die Grenzen der schützenden Hülle, die ich um den Garten herum errichtet habe«, warnte Pug.

»Ich werde sie beachten«, erwiderte der Drache und erhob sich in die Luft.

Macros betrachtete die beiden und sagte: »Als Ihr und ich den Spalt geschlossen haben, Pug, habt Ihr die zerschmetternden Kräfte für mich gelenkt. Doch ein weiteres Ergebnis dieses Unternehmens war, daß ich plötzlich für die, die die Grenzen zwischen den Welten durchlässig machen wollten, wie ein Leuchtfeuer in der Schwärze erschien.«

»Der Feind«, sagte Pug.

Macros nickte und sagte: »Ich wurde ausgemacht, und es kam zum Kampf. Glücklichemeise, trotz der Macht, der ich mich gegenüber sah, bin ich ... war ich selbst auch nicht ohne Chancen.«

Pug sagte: »Ich kann mich daran erinnern, wie ich Euch in meiner Vision auf dem Turm der Prüfung gesehen habe. Ihr schobt den verzerrten Spalt zusammen, durch den der Feind danach trachtete, dieses Universum wiederzugewinnen.«

Macros zuckte mit den Schultern. »Ihr habt lange genug gelebt, um ein paar Dinge zu lernen. Und vielleicht kann man mich nicht töten.« In den letzten Worten schwang seltsamerweise eine Spur Bedauern mit. »Auf jeden Fall kämpften wir einige Zeit. Wie lange, kann ich kaum schätzen, weil, wie Ihr ohne Zweifel bemerkt habt, zwischen den Welten die Zeit so gut wie keine Bedeutung hat.

Doch zuletzt wurde ich gezwungen, mich hierher in den Garten zurückzuziehen, und meine Kräfte wurden begrenzt. Ich konnte noch nicht einmal die Stadt erreichen, denn dort hätte ich Mittel gefunden, mit denen ich meine Kräfte wieder vergrößern könnte. Der Kampf wurde also unterbrochen, meine Kräfte wurden mir genommen, und die Falle schlug zu. Dann zerstörte der Feind die Brücke und ließ mich allein. So war ich gezwungen, auf Eure Ankunft zu warten.«

»Aber warum habt Ihr mir das nicht in Eurer letzten Nachricht mitgeteilt?« fragte Pug. »Wir hätten früher kommen können.«

»Ich konnte Euch beide mir nicht folgen lassen, bis die Zeit dafür reif war. Tomas, Ihr mußtet zunächst mit Euch selbst ins reine kommen, und Ihr, Pug, brauchtet den Unterricht der Eldar. Und ich habe die Zeit auch gut ausgenutzt. Ich habe meine Wunden auskuriert und« - er deutete auf seinen Stab - »einige Fertigkeiten im Schnitzen erworben. Obwohl ich nicht darauf verfallen bin, Steine als Werkzeug zu gebrauchen. Nein, alles mußte seinen Gang gehen. Jetzt seid Ihr eine gute Waffe in der Schlacht, die uns bevorsteht.«

Macros sah sich um. »Wenn es uns gelingt, aus dieser Falle herauszukommen.«

Pug betrachtete die glühende Hülle über ihren Köpfen. Durch sie konnten sie die Sterne sehen, doch sie erschienen eigentümlich, als würden sie in einem seltsamen Rhythmus flackern. »Und in was für eine Falle sind wir geraten?«

»Eine der Schlauesten«, sagte Macros. »Ein Zeitfalle. In dem Moment, als Ihr den Fuß in die Gärten gesetzt habt, wurde sie ausgelöst. Diejenigen, die sie aufgestellt haben, schicken uns in der Zeit rückwärts, und zwar für jeden Tag, der wirklich vergeht, einen Tag zurück. Gerade jetzt sitzt Ihr auf dem Rücken des Drachen und haltet nach mir Ausschau, würde ich meinen. In ungefähr fünf Minuten werdet Ihr mit dem schwarzen Drachen kämpfen. Und so weiter und so fort.«

Tomas fragte: »Und was müssen wir tun?«

Macros schien die Frage zu amüsieren. »Tun? Gegenwärtig sind wir erst einmal auf uns allein gestellt und hilflos, weil der, der uns gegenübersteht, weiß, daß wir ihn in der Vergangenheit nie besiegt haben. Die Natur läßt kein Paradoxon zu, und deshalb können wir nur darauf hoffen, daß wir uns irgendwie befreien und unseren richtigen Platz in der Zeit wieder einnehmen können ... ehe es zu spät ist.«

»Wie sollen wir das anstellen?« fragte Pug.

Macros setzte sich wieder auf den Felsen und strich sich durch den Bart. »Das ist die Frage. Ich weiß es nicht, Pug. Ich weiß es einfach nicht.«